Im 17.
Jahrhundert, der Hochzeit des Segelschiffbaus, erlebte der Hanfanbau in
Europa seine Blütezeit. Segel, Takelwerk, Seile, Netze, Flaggen, die
Uniformen der Seeleute und selbst die Logbücher waren aus Hanf. Etwa 50
bis 100 Tonnen dieser äußerst reißfesten und nässeunempfindlichen Fasern
wurden pro Schiff benötigt, der gesamte Seehandel und die Schiffsflotten
der Großmächte waren davon abhängig - Hanf war zu einem Rohstoff
geworden, der Kriege entschied!
Wahrscheinlich kam der Hanf erst im Zuge der europäischen Eroberung im
16. und 17. Jahrhundert nach Amerika. Danach erlangte der Hanfanbau zur
Fasergewinnung in der "Neuen Welt" eine große Bedeutung. Zeitweise war
es in den 1776 gegründeten Vereinigten Staaten Pflicht, als Landbesitzer
Hanf zu kultivieren. In manchen Fällen konnten sogar Steuern mit Hanf
entrichtet werden.
Hanf
verlor seine Bedeutung als Faserlieferant für Textilien, Bücher und
Zeitungen im 18. und 19. Jahrhundert durch die Entwicklung von Spinn-
und Webmaschinen für Baumwolle einerseits sowie von chemischen
Aufschlussverfahren für die Papierherstellung aus Holz andererseits.
Zusätzliche Konkurrenz entstand durch billige Rohstoffe aus den Kolonien,
wie Holz aus den Urwäldern, Jute, Sisal und die immer
wichtiger werdende Baumwolle, angebaut auf Riesenplantagen unter
unmenschlichen Arbeitsbedingungen.
Als
Genussmittel und Arznei gegen verschiedene Beschwerden gab es
demgegenüber in Nordamerika und Europa bis in die erste Hälfte des 20.
Jahrhunderts eine vielfältige Nutzung. So waren in Deutschland und der
Schweiz Zigaretten erhältlich, die neben Tabak bis zu 11%ige
Beimischungen aus Hanf enthielten. Diese meist aus Ägypten und Ungarn
stammenden Importe hatten sich um 1800 als Handelsware etabliert. Aus
den Warensortimenten deutscher Tabakmanufakturen
verschwand dieser |
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'starke
Tobak' um 1870, weil sich inzwischen Cannabis-Tinkturen durchgesetzt
hatten. Medizinische Hanfzubereitungen wurden meist über Apotheken
vertrieben und waren dort etwa bis 1910 erhältlich.
Der
Erste und vor allem der Zweite Weltkrieg brachte dem heimischen
Faserhanf neuen Aufschwung. Wegen der Unsicherheit der Handelswege und
der Einschränkung von Importen wurde die Hanfkultivierung in vielen
europäischen Ländern stark ausgeweitet. In wenigen Jahren wurden die
Ernte- und Verarbeitungstechniken verbessert. Die Anbaufläche im
Deutschen Reich verhundertfachte sich zwischen 1933 und 1940 auf 21.000
ha. Trotzdem mußte 1941, als die höchste Erntemenge des Krieges
eingefahren wurde, 80% des Bedarfs an Hanffasern weiterhin aus Italien
importiert werden. Das NS-Regime propagierte den Hanfanbau in
verschiedenen Veröffentlichungen. Auch in den USA wurde durch die
schwierige Nachschubsituation für die kriegswichtigen Hanffasern das
Landwirtschaftsprogramm "Hemp for Victory" ("Hanf für den Sieg")
durchgeführt.
Nach
1945 wurde der Import von Rohstoffen, unter anderem Baumwolle für die
boomende Textil- sowie Erdöl für die Chemie-Industrie, wieder verstärkt
aufgenommen. Die wachsende Einfuhr der Erdöls ermöglichte die
massenhafte Herstellung von Kunstfasern und lieferte Grundstoffe für die
Produktion von Farben und Lacken. So wurden Hanffasern und das
Hanfsamenöl in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als unliebsame
Konkurrenten der Papier-, Textil- und Chemie-Industrie fast völlig
verdrängt.
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