Starker Tobak

Wenn von Glut entflammt des milden
Krautes Wunder-Geist entbrennt,
Schlingt der Rauch sich zu Gebilden,
Die nur des Künstlers Sinn erkennt.

Er gewahrt in dessen Kreisen
Eine wundersame Schrift,
Die dem tiefsten Sinn mit leisen,
Rätselhaften Zügen trifft;
Sie zu bannen bleibt vergebens,
Sie verweht ein schwacher Hauch,
Doch er ahnt den Sinn des Lebens
Und so deutet er den Rauch.

Sieh, da schmiegt das Luftgewimmel
Enger sich an seine Brust,
Malet ihm der Freundschaft Himmel,
Ihm der Liebe Götterlust;
Und er folgt dem frischen Triebe,
Folgt dem alten Adamsbrauch;
Dass er ihm doch ewig bliebe,
Dieser wunderschöne Rauch.

Einst im hehren Oriente
Waren Bilder Poesie,
Und nun herrscht im Occiente
Auch dieselbe Theorie.
Und so sollen denn nach Brauche
Welt und Welt verglichen sein;
Die Moderne mit dem Rauche,
Die Antike mit dem Wein.

Träume möchten gern verführen,
Heucheln der Gesetze Schein.
Formen wollen imponieren
Und sind doch nur Gaukeleien.
Wie sie Nicot`s duftge Pflanze
Und Arabiens brauner Saft,
Bei dem rätselhaften Tanze
Bunter Phantasien schafft

 

Gedicht zum Kupferstich von Moritz von Schwindt, 1843

 

 

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Abbildungsnachweis:

Stich von M. von Schwindt, 1843 nach R.E. Schulte/A. Hofmann "Pflanzen der Götter", 1980:5