Recht und Politik

 

Obwohl Anbau und Verwendung von Hanf auf dem Gebiet des heutigen Deutschland seit 2500 Jahren nachgewiesen sind, ist das sogenannte 'Cannabisproblem' noch keine 90 Jahre alt. Erstmals tauchte indischer Hanf auf der internationalen Opium-Konferenz 1912 in Den Haag wegen eines 'verwechselnden Irrtums' mit Opium auf. 1927 wurde er auf Betreiben einiger Delegierter in die Liste der zu kontrollierenden Rauschmittel aufgenommen. Das entsprechend angepaßte Reichs-Opium-Gesetz wurde 1929 beschlossen, nachdem der deutschnationale Reichsnährungsminister Schile versichert hatte, es sei "als ein vorläufiges" zu verstehen. Es blieb 43 Jahre in Kraft und wurde 1972 durch das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) abgelöst.

 

In den USA wurde, unterstützt von Wirtschaftskreisen, eine beispiellose Hetzkampagne durchgeführt, die 1937 zu einem 'Anti-Marijuana-Gesetz' führte. Es wurde behauptet, daß der vor allem unter Schwarzen und Mexikanern verbreitete Marijuanagebrauch zu körperlicher Abhängigkeit führe und eine unaufhaltsame Entwicklung über Aufsässigkeit und Kriminalität bis zur Verblödung nach sich ziehe. Diese Haltung prägte 1961 die 'Single Convention of Narcotic Drugs' ('Einzelvertrag der Betäubungsmittel'), die fortan die Drogenpolitik der UNO bestimmte.

 

In der BRD der späten 60iger Jahre wurde das Phänomen ähnlich diskutiert. Diesmal sollten Hanfdrogen lethargisch und krank machen. Die irrationale Einstiegstheorie 'Wer Haschisch raucht, spritzt später Heroin' und ein Gesetzgeber, der keinen Unterschied zwischen harten und weichen Drogen machte, bewirkten eine völlige Ideologisierung. Innenpolitisch war der Weg für die 1982 erfolgte verschärfende Ergänzung des BtMG geebnet. Neben den Aufbau eines

 

ständig wachsenden Verfolgungsapparates trat die rechtsstaatlich bedenkliche Kronzeugenregelung. Obwohl der Konsum von der Strafverfolgung ausgenommen ist, stellt jede Beschaffung von Hanfprodukten, auch der Eigenanbau, eine kriminelle Handlung dar. Die 48267 Gerichtsverfahren, die 1993 in der BRD eingeleitet wurden, belegen, daß die Bestrafung höchst willkürlich und die Abschreckung unwirksam ist.

 

Im Bundesverfassungsgerichtsbeschluß vom 9.3.1994 wurde festgestellt, daß es bei Hanfdrogen keine körperliche Abhängigkeit, keine Schrittmacherfunktion, ein sehr geringes Suchtpotential und nur eine geringe Gesundheitsgefährdung gibt. Das Bundesverfassungsgericht fordert von den Innenministern der Länder, für eine einheitliche Rechtspraxis der Strafverfolgungsbehörden zu sorgen und Verwaltungsvorschriften zur einheitlichen Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu erlassen.

 

Nach derzeitiger Gesetzeslage besteht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von einer Bestrafung abzusehen. In verschiedenen Bundesländern werden die Kriterien der geringen Menge zum gelegentlichen Eigenbedarfs und fehlende Fremdgefährdung unterschiedlich definiert (Stand: 1996/1997).

 

Bundesland geringe Menge Einstellungsregeln
     
Baden-Württemberg bis 3 KE in der Regel einzustellen
Bayern bis 6 g im Einzelfall zu prüfen
Berlin bis 15 g grundsätzlich einzustellen,
bis 30 g Einstellung möglich
Brandenburg bis 3 KE kann eingestellt werden
Bremen bis 6-8 g (inoffiziell)
Hamburg bis 20 g (1) in der Regel einzustellen
Hessen bis 6 g ist einzustellen
  6-15 g kann eingestellt werden
Mecklenburg-Vorpommern keine Einstellungsrichtline
Niedersachsen bis 6 g ist einzustellen
  6-15 g kann eingestellt werden
Nordrhein-Westfalen bis 10 g in der Regel einzustellen
Rheinland-Pfalz bis 10 g in der Regel einzustellen
Saarland bis 6 g ist einzustellen
  6-10 g kann eingestellt werden
Sachsen bis 3 KE (inoffiziell)
Sachsen-Anhalt bis 3 KE ist einzustellen
Schleswig-Holstein bis 30 g in der Regel einzustellen
Thüringen   keine Einstellungsrichtline

 

Quellenangaben zur Tabelle

 


Abbildungsnachweise:

H.G. Behr "Von Hanf ist die Rede" 1995:223