Hanf
hatte in Europa als Faserlieferant für Kleidung vom Mittelalter bis ins
19. Jahrhundert eine große Bedeutung. Die ländliche Bevölkerung kleidete
sich fast ausschließlich in selbsthergestelltem Stoff aus einheimischem
Anbau. 80 % davon war Leinen, das aus Flachs- (auch Leinpflanze genannt)
oder aus Hanffasern bestand. Das so genannte Abwerk, aus dem Säcke oder
Arbeitskleidung gefertigt wurde, war ausschließlich aus Hanf, ebenso die
erste von Levy-Strauß gefertigte Jeans. Aus den männlichen Pflanzen
wurde ein feines Tuch namens Femmelreusten hergestellt. In Asien, wo
teilweise zartere Hanfsorten angebaut werden, war Hanf bis in die
jüngste Zeit selbst für allerfeinste Gewebe gebräuchlich.
Hanffasern machen bis zu 35% der Pflanze aus. Sie sind extrem saugfähig,
ohne sich gleich klamm anzufühlen, und besonders abriebfest, wodurch sie
dem Flachs überlegen sind. Die Kurzfasern lassen sich kotonisieren
(baumwollähnlich machen) und ermöglichen dadurch den Einsatz von Baumwolltechnologien
zur Produktion von weichen und sogar strickfähigen (Misch-)Garnen. Die
Langfasern, bekannt als Dichtungswerg, wurden Jahrhunderte lang zu
Segeltuch, Zeltplanen, Feuerwehrschläuchen, Gurten, Riemen und vor allem
Seilen verarbeitet. Neuere Nutzungsformen sind Watten und Vliese, die
ein mit der Mineralwolle vergleichbares, aber voll kompostierbares und
nicht gesundheitsgefährdendes Dämm- und Füllmaterial, z.B. für
Matratzen, ergeben.
Aus
den Kurzfasern lassen sich Spezialvliese für die verschiedensten
Techniken machen (Filter, Membrane, Armierungen). Sie finden Verwendung
im Garten-, Landschafts- und Straßenbau, ersetzen Asbest in Brems- und
Kupplungsbelägen, Glasfasern in Formpreßteilen und Verpackungen. Sie
verstärken Porenbeton, Faserzement, Trockenmörtel, Dispersionsfarben,
Fliesenkleber und Unterbodenschutz. Kurzfasern werden auch zur
Herstellung von Fein- und Spezialpapieren verwendet (Zigarettenpapier,
Geldscheine, Veredelung von Altpapier). |
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Zur
Fasergewinnung wird Hanf eng ausgesät und nach der Blüte, aber vor dem
Samenansatz mit robusten Mähmaschinen geerntet. Je nach späterer
Verwendung folgt der Faseraufschluß. Er besteht aus einer Reihe von
Prozessen, die der Trennung des faserhaltigen Basts von den holzigen
Innenteilen des Stengels, den Schäben dienen.
Bei der
Röste, während der die Pflanzen bis zu drei Wochen lang entweder auf dem
Feld (Tauröste) oder in stehendem Wasser (Wasserröste, in Deutschland
wegen der Umweltgefahren verboten) liegen, lösen Mikroorganismen die
Lignine und Pektine, welche die Stengelbestandteile zusammenkleben.
Dieser Vorgang läßt sich auch durch Chemikalien, Enzyme oder Tenside in
Gang setzen bzw. beschleunigen.
Nach
dem Trocknen wird traditionell mit dem Wegbrechen der Schäben in
rinnenförmigen Holzgestellen, den Hanf- oder Flachsbrechen, begonnen.
Darauf folgen erst das Schwingen, um weitere Holzteile zu entfernen und
die Fasern parallel zu legen, und dann das Hecheln (Kämmen). Die
gekämmten Langfasern können dann trocken oder besser naß gesponnen
werden. Statt dieser sehr aufwendigen Handarbeit werden heute meistens
verschiedene maschinelle Arbeitsgänge verrichtet, so zum Beispiel auf
umgebauten bzw. weiterentwickelten Flachsverarbeitungsmaschinen.
Neuerdings wurde eine Reihe von Verfahren entwickelt, die jeweils ein
ganz bestimmtes Faserdesign ermöglichen. So gibt es riesige, aber mobile
Maschinen, die nach kurzer Anröste noch auf dem Feld Kurzfasern
herstellen und nicht benötigte Teile gleich liegen lassen. Der
Dampfaufschluß gerösteter Stengel läßt durch die exakte Prozeßsteuerung
verschiedene Verarbeitungsarten zu. Noch im Probestadium befindet sich
der Ultraschallaufschluß, mit dem aus ungeröstetem Grünstroh völlig
unzersetzte und daher hochreißfeste, saubere, weiße und weiche Fasern
gewonnen werden.
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