Seit
Frühjahr 1996 können Anträge auf Anbaugenehmigungen für THC-armen
Faserhanf beim Bundesministerium für Landwirtschaft gestellt werden. Die
erste Begeisterungswelle, in der Hanf als Wunderpflanze ohne Nachteile
dargestellt wurde, ist bereits abgeebbt, viele Firmen, die sich im
Hanfbereich gegründet haben, haben wieder schließen müssen. Die
geäußerten Prognosen müssen sich verstärkt der Realität stellen.
Fachleute warnen bereits vor zu hohen Erwartungen und vor den Fehlern,
die im Zusammenhang mit anderen Kulturpflanzen begangen wurden wie
Überzüchtungen, Monokulturen und gentechnische Veränderungen.
Die
repressiven gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen Hanf und andere
illegale Drogen und Rauschmittel be- und gehandelt werden, richten
nicht nur individuelle, sondern auch volkswirtschaftliche Schäden an.
Immer mehr Menschen empfinden die offensive Vermarktung von mit
Cannabis verglichen eindeutig schädlicheren Rausch- und Genußmitteln
wie Alkohol und Tabak als Ausdruck einer Doppelmoral. Die vom
Bundesverfassungsgericht festgeschriebene teilweise Entkriminalisierung
kann daher nur ein erster Schritt sein.
In
Holland wurde bereits vor über 20 Jahren ein sanfter Ausstieg aus dem
Klima der Strafverfolgung begonnen. Der prinzipiell unter Strafe
stehende Besitz von geringen Mengen Cannabis wurde zur
Ordnungswidrigkeit herabgestuft und die HanfkonsumentInnen damit aus der
illegalen Drogenszene herausgelöst. Ein toleranter Umgang mit
Kleinmengen bis 30 g führten zum niederländischen Coffeeshop-Modell: in
Cafés können von autorisierten VerkäuferInnen ausschließlich Hanfdrogen
gekauft und dort auch eingenommen werden. Die Einfuhr und der Großhandel
werden immer noch illegal betrieben. Die pragmatische und tolerante
niederländische Drogenpolitik steht nicht im Widerspruch zu
internationalen Abkommen. |
|
Die
vollständige Legalisierung wäre eine über das Coffeeshop-Modell
hinausgehende Maßnahme und würde bedeuten, daß der Besitz, Handel und
Erwerb von Hanf nicht gegen das geltende Recht verstößt. Ähnlich wie
beim Alkohol und Tabak ist eine verwaltungsrechtliche Kontrolle des
Hanfdrogenmarktes denkbar. Der Anbau zum Eigenbedarf sollte jetzt schon
möglich sein. Der bisherige privatwirtschaftlich organisierte
Schwarzmarkt könnte durch Hanfanbau- und Einkaufsgenossenschaften
ersetzt werden.
Der
Verkauf von Genußmitteln aus Hanf wäre durch Lizenzvergabe an kompetente
AntragstellerInnen zu regeln. Apotheken, Drogerien, Tabakläden,
Gaststätten und Sozialeinrichtungen eignen sich als Vertriebsorte. Eine
Art „CÜV“ („CannabisÜberwachungsVerein“) könnte im Sinne des
Verbraucherschutzes sowohl die Qualität und Preise von THC-Produkten
kontrollieren, als auch Forschungen initiieren und unterstützen.
Es
erscheint uns wichtig darauf hinzuweisen, daß es in Geschichte und
Gegenwart keine Kultur ohne Rauschmittel- und Drogenkonsum gab. In
unserer Gesellschaft wird der kompetente Umgang mit (legalen) Drogen und
Medikamenten erwartet. Eine sachliche und ideologiefreie Aufklärung über
Haschisch und Marihuana, über ihre Vorteile ebenso wie über ihre Risiken
und Nebenwirkungen ist erst in Ansätzen sichtbar. Die Normalisierung im
Umgang mit Hanf bewirkt eine offene Auseinandersetzung, bringt Regeln
und Rituale hervor, fördert den Genuss und hilft, Missbrauch zu
verhindern. Daß Menschen ihre Entscheidungen eigenverantwortlich treffen
können, trägt zu einem bewußteren Umgang mit Drogen bei. |